Bereits die sog. „Fahrradnovelle“ der StVO 1997 hat ja deutliche Verbesserungen für den Fahrradverkehr gebracht. Insbesondere wurde damals die Möglichkeit geschaffen, Einbahnstraßen für den Fahrradverkehr in beide Richtungen freizugeben. Weiterhin wurden Mindesstandards für Radwege festgelegt, deren Nichteinhaltung zur Folge hat, das die Benutzungspflicht für solche Radwege entfällt. Es wurde die Möglichkeit von Fahrradstraßen geschaffen, wobei sich mir bis heute nicht erschließt, wo da eigentlich der Unterschied zu einem großen, nicht Straßenbegleitenden Radweg liegt. Und es wurde die Möglichkeit geschaffen, sog. Schutzstreifen für Fahrräder anzulegen, wo der Platz für einen richtigen Radfahrstreifen nicht ausreicht.
Jetzt gibt es eine weitere Novelle der StVO, die den Fahrradverkehr betrifft und die am 1.September 2009, also in wenigen Tag in Kraft tritt. Diese dient erstens der Lichtung des Schilderwaldes. Es ist m.E. jedoch abzusehen, dass das nicht gelingen wird. Vielleicht kann das weitere Wachsen etwas verlangsamt werden. Zweitens soll „ein weiterer Beitrag zur Sicherheit des Fahrradverkehrs“ geleistet werden.
Ein wichtiger Fortschritt ist, dass in Zukunft nicht mehr bevorzugt Radwege angelegt werden müssen, sondern dass Radfahrstreifen den gleichen Stellenwert haben. Es kann nun je nach den lokalen Gegebenheiten entschieden werden, ob man die Radfahrer auf einer gemeinsamen Fahrbahn mit den Autos belässt, einen Radfahrstreifen oder einen Radweg anlegt. Damit reagiert man endlich auf die fortwährende Kritik an der Sicherheit von Radwegen insbesondere an Kreuzungen.
Der ADFC behauptet weiterhin, dass die Radwegbenutzungspflicht „auf ein erforderliches Maß beschränkt werden“ soll. Davon steht so direkt im Gesetzestext nichts drin. Mein erster Gedanke war, dass das damit im Zusammenhang steht, dass, wie Wikipedia schreibt häufiger einfach auf die Richtlinien des Bundesamts für Straßenwesen verwiesen werden soll, statt alles im Gesetzestext genau auszuführen. Aber auch dafür habe ich in den neuen Passagen der StVO keinen Hinweis gefunden. Vielleicht steht das ja in den ebenfalls geänderten Verwaltungsvorschriften zur StVO, die ich jedoch nicht gelesen habe. Egal wie, diesen Punkt glaube ich erst, wenn ich es sehe. Wenn man sich die aktuellen Entwicklungen in der Dresdner Verkehrspolitik vor Augen hält, bin ich da eher skeptisch.
Darüber hinaus müssen sich Radfahrer auf Radwegen nicht mehr an Fußgängerampeln halten, wenn sie keine eigene Ampel haben, sondern an die Ampel für die Fahrbahn.
So, jetzt muss das Ganze nur noch tatsächlich von den Kommunen umgesetzt werden. Und das kann aus meiner Sicht nur heißen:
Radstreifen und meinetwegen auch Radwege ja!
Radwegebenutzungspflicht NEIN!
Nachtrag: Wie man hier sehen kann, steht tatsächlich in der Verwaltungsvorschrift:
9 2. Benutzungspflichtige Radwege dürfen nur angeordnet werden, wenn ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen. Sie dürfen nur dort angeordnet werden, wo es die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsablauf erfordern. Innerorts kann dies insbesondere für Vorfahrtstraßen mit starkem Kraftfahrzeugverkehr gelten.
Dieser Abschnitt ist neu und das heißt tatsächlich, dass es einen guten Grung geben muss, einen separaten Radweg anzulegen.
Der folgende Abschnitt ist übrigens in Übereinstimmung mit der entsprechenden Änderung in der StVO gestrichen worden:
10 2. Aus Gründen der Verkehrssicherheit ist es am besten, wenn zur Umsetzung einer im Einzelfall erforderlichen und verhältnismäßigen Radwegebenutzungs pflicht ein Radweg baulich angelegt wird. Die Anlage von Radwegen ist deshalb wünschenswert und soll auch weiterhin angestrebt werden.
Und hier ist auch der Verweis auf die ERA. Das sind wohl die von mir oben erwähnten Richtlinien des Bundesamts für Straßenwesen:
13 Hinsichtlich der Gestaltung von Radverkehrsanlagen wird auf die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) in der jeweils gültigen Fassung hingewiesen.
Das erlaubt wohl eine gewisse dynamische Anpassung der Gestaltungsrichtlinien an den Stand der Forschung.
Angesichts der Praxis ist es mehr als nur Blauäugig, anzunehmen, irgend etwas werde sich für Radfahrer verbessern. Erstens verschlechtern StVO und VwV die Bedingungen. Und zweitens machen die Behörden sowieso was sie wollen — hauptsache zugunsten Auto.
Auch ich finde die Situation für Radfahrer, sowohl was die Gesetzeslage, als auch was die Praxis angeht alles andere als optimal. Aber die Behauptung, dass die neuen Regelungen brutto eine Verschlechterung bringen, müsstest Du schon belegen. Den letzten Satz halte ich für falsch und kontraproduktiv. Ich weiß ja nicht wie es bei Euch ist, aber hier verbessert sich die Situation für Radfahrer zumindest langsam aber sicher. Das wird auch honoriert, die Zahl der Radler ist seit vielen Jahren ansteigend. Eine Bevorzugung der Autofahrer ist zwar, wie ich im Artikel auch erwähnt habe, evident. Tendentiell und deutschlandweit betrachtet, wird es besser. Das größete Manko ist die Radwegebenutzungspflicht.
Rollschuhfahrer und Mobilitätshilfen dürfen zugelassen werden, die Breite ist nun „flexibler“, natürlich nach unten. Links durfte bisher nur bei Zeichen 237 anderes zugelassen werden. „Bauliche Radwege und Radfahrstreifen auf der Fahrbahn sind in der neuen StVO gleichgestellt.“ bedeutet eine Zementierung der Separierung bei noch schmalerer Ausführung und Verschlechterung der Möglichkeit, sie zu meiden. Linke Freigabe bei gleicher Breite erlaubt. 240er ist nun offiziell wie 239+Radfahrer frei. Auf „Schutzstreifen“ dürfen Kfz halten.
Mofas dürfen seit 20 Monaten außerorts immer aufs Wegelchen, auch links.
Fragen dazu bitte in news:de.rec.fahrrad oder als Mail.
Rollschuhe dürfen überall zugelassen werden, nicht nur auf Radwegen.
Mit Radfahrstreifen gibt es in Dresden eigentlich durchweg gute Erfahrungen. Sie sind bisher in erster Linie an sehr großen Straßen angelegt, die bis dahin von weniger routinierten Radfahrern gemieden wurden. Diese mussten dann entsprechend große Umwege in Kauf nehmen. Sie sind relativ ungefährlich, weil sie von Autofahrern als zur Fahrbahn dazugehörig wahrgenommen werden. Sie ermöglichen gefahrloses Überholen langsamerer Radfahrer, da man, wenn keine Autos kommen, notfalls kurz auf die Fahrbahn ausweichen kann und sie sind in einem sehr guten Zustand und sauber, weil sie eben als Teil der Straße robust gebaut sind und auch gereinigt werden. Rechtsabbiegerspuren sind so angelegt, dass die Autofahrer schon beim Spurwechsel den Radfahrstreifen kreuzen müssen. Das ist also genauso, als wenn es keinen Radfahrstreifen gäbe, da müssen Autofahrer beim Wechsel auf die Rechtsabbiegerspur auch die Radfahrer kreuzen. Zusätzlich nehmen die Autofahrer den Radfahrstreifen als rot markierte „Sonderspur“ wahr und achten dadurch tendentiell mehr auf die Radfahrer. An einigen Stellen parken allerdings rechts neben der Radfahrspur Autos. Das ist aber auch höchstens genauso gefährlich, wie ohne Radfahrstreifen. M.E. eher weniger, weil man von den Autos nicht genötigt wird, so nah an den parkenden Autos vorbeizufahren. Ich finde Radfahrstreifen sind häufig eine gute Lösung und begrüße ausdrücklich die Aufwertung gegenüber den unsäglichen Radwegen.
„240er ist nun offiziell wie 239+Radfahrer frei.“
Das kann ich weder dem entsprechenden Paragraphen, noch der Beschreibung des Verkehrsschilds im Anhang entnehmen. Dort steht:
Gemeinsamer Geh- und Radweg:
1. Radfahrer dürfen nicht die Fahrbahn, sondern müssen dengemeinsamen Geh- und Radweg benutzen (Radwegbe-
nutzungspflicht).
2. Andere Verkehrsteilnehmer dürfen ihn nicht benutzen.
3. Ist anderen Verkehrsteilnehmern durch Zusatzzeichen die Benutzung eines gemeinsamen Geh- und Radweges er-
laubt, müssen Fahrzeugführer auf Fußgänger und Radfah-
rer Rücksicht nehmen. Erforderlichenfalls müssen alle die Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr anpassen.
Den letzten Satz könnte man in Deinem Sinn auslegen. Keine Ahnung, ob der schon immer so drin stand. Da aber §1 der STVO sowieso gilt, war das eigentlich auch schon immer so.
„Auf „Schutzstreifen“ dürfen Kfz halten.“
OK, aber Schutzstreifen sind auch mehr eine visuelle Orientierung für Autofahrer und es gibt sie bereits seit 1997. Vielleicht schützen sie ja Radfahrer tatsächlich davor, zu knapp überholt zu werden. Keine Ahnung. In Dresden gibt es (oder gab es?) solch einen Schutzstreifen auf der Bodenbacher Straße, weil dort in der Mitte ein erhöhtes Gleisbett für die Straßenbahn ist und dadurch die Fahrbahn trotz starkem Verkehr sehr eng ist. Das finde ich erstmal nicht sooo schlecht, denn sonst würde sich außer den ganz abgebrühten dort kein Radfahrer auf die Straße trauen. Allerdings- immer dort, wo die Fahrbahn noch enger wurde, also z.B. an Straßenbahnhaltestelleninseln, und wo der Radfahrer wirklich Schutz gebrauchen könnte, hört der Schutzstreifen auf und zwar ohne „Achtung Radfahrer“-Schild… Dort hilft dann (und zwar mit oder ohne Schutzstreifen oder Fahrradspur oder was auch immer) nur knallhart mitten auf der Fahrbahn zu fahren, damit ja kein Auto auf die Idee kommt, einen zu überholen. Das ist nicht Jedermanns Sache.
Fazit: Schutzstreifen sind meist sinnlos aber sie sind auch nicht neu und sie sind selten.
„Mofas dürfen seit 20 Monaten außerorts immer aufs Wegelchen, auch links.“ Das halte ich für irrelevant, bei den wenigen Mofas, die es in Deutschland gibt. Für mich macht es keinen Unterschied, ob mir auf einem Radweg ein Fahrrad oder ein Mofa entgegenkommt. Wenn die Mofafahrer da was dagegen haben, sollen die sich aufregen.