Bei Reise- und Alltagsrädern besteht schon eine ganze Weile ein Trend zu immer breiteren Reifen. Begründet wird das damit, dass breitere Reifen bei gleichem Luftdruck einen geringeren Rollwiderstand haben. Irgendwie fand ich das immer äußerst kontraintuitiv (gibt es das Wort im Deutschen?). Ich selbst fahre am Reiserad 32-37mm breite Reifen, je nachdem. Seit einiger Zeit hat sich nun bei mir ein Gedanke herauskristallisiert, den ich hier darlegen möchte und der meine Zweifel zu bestätigen scheint. Es ist allerdings denkbar, dass sich hier irgendwo ein Denkfehler eingeschlichen hat oder irgendetwas wichtiges fehlt.
1. Die Aufstandsfläche ist bei unterschiedlich breiten Reifen bei gleichem Druck gleich.
Der Rollwiderstand setzt sich aus diversen Komponenten zusammen. Die zwei wichtigsten sind wohl die Rollreibung und das Walken der Karkasse. Die Theorie besagt nun, dass der Rollwiderstand von der Aufstandsfläche abhängt, d.h. von der Fläche mit der der Reifen Kontakt zur Straße hat. Die entsteht dadurch, dass der Reifen an dieser Stelle ein kleines Stück eingedrückt (gewalkt) wird. Mir ist nicht hundertprozentig klar warum, aber eigentlich alle Quellen, die ich so gefunden habe, geben an, dass die Größe der Aufstandsfläche einzig und allein von der Gewichtsbelastung und vom Luftdruck im Reifen abhängt und nicht von dessen Breite (Man könnte ja auch annehmen, dass das verdrängte Volumen vom Luftdruck abhängt).
Smolik gibt dazu sogar eine Formel an:
Af = Cr x Gl/Pr
Mit: Af = Reifenaufstandsfläche in cm²
Cr = Korrekturfaktor für zusätzliche Fläche infolge von „Schmiereffekten“ durch die Dicke des Reifenmaterials; Rennrad: ca. 1,05; Normalrad: ca.1,1 (ohne Einheit)
Gl = Gewichtsbelastung des Laufrades in kg*
Pr = Reifendruck in kg/cm²*
Die folgende Abbildung verdeutlicht das nochmal:

Reifen von unten: Die Aufstandsfläche ist unabhängig von der Reifenbreite aber bei schmalen Reifen deutlich länger
Man sieht schön, dass die Fläche ungefähr gleich groß ist(Differenzen sind meinem zeichnerischen Unvermögen geschuldet). Allerdings ist sie bei schmalen Reifen eher langgestreckt ist, während breite Reifen eher eine Runde Aufstandsfläche besitzen.
2. Der Fahrkomfort ist bei schmalen Reifen bei gleichem Druck größer!
Die zweite Abbildung zeigt, dass, um diese Form der Aufstandsfläche zu erreichen, der Reifen unterschiedlich weit eingedrückt werden muss. Ich habe versucht, dies mit den roten Linien darzustellen, wobei die Abbildung den Reifen von der Seite zeigt, nicht im Querschnitt. Das heißt, der schmale Reifen walkt mehr. Ergo hat der schmale Reifen bei gleichem Druck einen höheren Rollwiderstand, denn wie am Anfang beschrieben:
Rollwiderstand=Reibung (gleich)+Walken (bei schmalen Reifen größer)

Reifen von der Seite: Schmale Reifen walken bei gleichem Druck mehr
Und das sagen ja auch alle anderen. Diese Abbildung macht aber auch Folgendes deutlich: wenn der schmale Reifen mit der gleichen Kraft belastet wird, federt er weiter ein. Der schmalere Reifen rollt bei gleichem Druck zwar schlechter, ist aber komfortabler.
3. Bei gleichem Komfort ist der Rollwiderstand des breiten Reifens größer!
Entscheidend für den Radler ist natürlich nicht der Luftdruck, sondern der Komfort. Um nun beim breiten Fahrradreifen den gleichen Komfort zu erreichen, muss man ihn mit weniger Luftdruck fahren, sodass die roten Linien aus Abbildung 2 gleich lang sind. Die folgende Abbildung zeigt, was dann passiert:

Reifen von unten: Breite Reifen haben bei gleichem Komfort mehr Aufstandsfläche
Die Aufstandsflächen sind jetzt gleich lang, die des breiten Reifens ist aber aufgrund der Breite viel größer. Die Rollreibung hängt jedoch direkt von der Aufstandsfläche ab. D.h. der breite Reifen rollt nun schwerer, denn:
Rollwiderstand=Rollreibung (bei breiten Reifen höher)+Walken(gleich, die roten Linien sind jetzt gleich lang)!
Natürlich gibt es immer noch genug andere Gründe einen breiten Fahrradreifen zu fahren, der Rollwiderstand scheint mir jedoch nicht dazu zu gehören. Davon abgesehen haben ja Mountainbikes gerade wegen des Komforts so breite Reifen. Hierbei muss man aber bedenken, dass diese erstens auch noch Stollen haben, die federn (und in dem Fall müssen wir uns über den Rollwiderstand sowieso nicht unterhalten) und zweitens breitere Reifen auch höher sind und man deshalb mit noch weit geringerem Druck fahren kann. Aber auch hier gilt natürlich: der Rollwiderstand ist dann im Eimer.
Fazit: Schmale Reifen rollen doch besser!
Wir können ja mal ein Vergleichsrollen machen. Von der Saloppe bis Zur Grundstraße. Jeweils mit 3 bar im Reifen.
Sag mal Karl (ha, so lernt man auch mal den richtigen Vornahmen von Dir kennen 🙂 ), hast Du meinen Post gelesen? Oder habe ich tatsächlich so unverständlich geschrieben? Dann sollte ich den Beitrag, glaube ich einfach löschen. Mir ging es ja gerade darum, dass „gleicher Druck“ keine geeignete Ausgangsbedingung darstellt, sondern „gleicher Komfort“, denn was der Radler spürt, ist Komfort und Rollwiderstand, nicht der Reifendruck an sich.
Hallo,
an sich alles richtig und entspricht auch meiner Ansicht. ABER: wieso gehst du davon aus, dass Reibwiderstand und Walkwiderstand zu gleichen Teilen in den Rollwiderstand eingehen? Dies halte ich für unrealistisch. Somit gibt es doch einen Sieger. Die Frage ist nur welchen 😉
Davon gehe ich doch gar nicht aus. Ich habe angenommen, dass das Walken die gleiche Energie schluckt, wenn beide Räder gleich weit gestaucht werden. Mache ich da einen gravierenden Fehler?
Reifen und Benzinverbrauch…
Es hat relativ lange gedauert, bis man wirklich zu der Erkenntnis kam, dass Reifen und Spritverbrauch untrennbar zusammengehören. Durch diese Erkenntnis hat sich mittlerweile einiges auf dem Reifenmarkt getan. Durch umfangreiche Tests hat man ermittelt…
Druck ist Kraft je Fläche. Die Einheit ist N (kp). In der Formel steht allerdings „kg“, die steht aber für Masse und nicht für Kraft. Wenn schon „wissenschaftliche“ Beweisführung, dann richtig.
Hier wird meines Erachtens mit viel zu einfachen Modellen gearbeitet. Denn : Der Reifen ist Teil einer etwa Torus-förmigen Fläche, die mit der Felge ein geschlossenes Volumen ergibt. Der Schlauch (eine stark verformbare,ringförmige Membran) bildet darin eine zusammenhängende Fläche, die nur dazu dient, die eingefüllte Luft zu halten (mehr oder weniger lange!). Je nach Menge der eingefüllten Luft wird innerhalb des Schlauches ein entsprechender Druck erzeugt. Außerdem ist die auf die Reifenaufstandsfläche wirkende Kraft (in [kp] oder [N]) als Teil des Gesamtgewichtes des Rades als bekannt vorrauszusetzen oder einfach bestimmbar. Auch die sich bei Belastung bildende Aufstandsfläche, Latsch gennant,läßt sich phänomelogisch als Ellipsenförmig beschreiben. Diese Abplattung des Reifens (gerade,ebene Fahrbahn angesetzt) bewirkt im Inneren des Schlauches eine Druckveränderung, dessen Größe sich nach den Gesetzen der Gasdynamik richtet. Bei der Abplattung muß bedacht werden, daß wegen der unterschiedlichen Länge von ursprüglichem Kreisbogen ( In Querschnitt und Längsschnitt) und dem Übergang auf eine Sehne Länge übrig ist, die an der Berandung der Ellipsenfläche eine Doppel-Falte (S-förmiger Wulst) schlägt, die ständig neugebildet wird und ebenso auch verschwindet, so daß der ganze Reifen bei jedem Umlauf durchgewalkt wird. Zwischem dem Latsch und der Fahrbahn wirken Spannungen, die wegen der senkrechten Last normal auf die Fläche wirken. Diese Normal-Spannungen haben eine flächenhafte Verteilung, sind also nicht gleichflächig konstant. An der Berandung (am Wulst) gehen diese Spannungen auf Null zurück. In der Kontaktfläche, senkrecht zu den Normalspannungen bilden sich Schubspannungen, die über das Reibungsgesetz mit den Normalspannungen verknüpft sind. Diese Schubspannugen übertragen die Antriebskräfte bzw. sorgen für das Rollen eines nicht angetriebenen Rades. Sie verformen die Lauffläche des Reifens und sorgen für einen Schlupf. Es ist verwunderlich, daß der Begriff Schlupf im Zusammenhang der neueren Betrachtungen über Widerstände von breiten und schmalen Reifen nicht behandelt wird. Zusammemfassend:
Der Druck im Reifen verändert sich mit der Belastung (Einfederung). Man kann die gleichen Bedingungen (durch Einfaches Nachpumpen oder Ablassen) für den schmalen und den breiten Reifen herstellen. Warscheinlich kann man diesen Druck als Wert für die mittlere Normalspannug heranziehen. Das müßte man aber zuvor genauer untersuchen. Mit einem Normierungsfaktor bezogen auf die gemessene Ellipsenfläche ist das sicher machbar. Weiter muß man sich Gedanken über Schlupf,Deformation der Wülste und der Seitenwände machen. Das ganze artet in wissenschaftliche Arbeit aus, die ich in meinem Leben nur noch mache, wenn ich dafür anständig vergütet werde. In der Industrie gibt es warscheinlich schon entsprechende Simulationsmodelle, die ich aber keineswegs ungeprüft übernehmen würde. Für das Verständnis braucht man mathematisch-physikalisch formulierte Gleichungen, die die Basis für FEM-gestützte Simulationen darstellen sollten. Aus meiner Berufspraxis weiss ich, daß für solche Untersuchungen in der Industrie weder Zeit noch Geld zur Verfügung gestellt wird, während man in der Hochschul-Szene häfig so abgehoben ist, das jedes Problem-Bewußtsein fehlt.
Zum Schluß : Bitte nicht Apfel mit Birnen vergleichen.
MfG H.S.
Na vielen Dank. Offenbar ein Kommentar von einem echten Fachmann. Ich bin ja kein Ingenieur (weder industriell noch Hochschul- 😉 ), sondern habe mir nur so ein paar Gedanken gemacht. Alles in allem unterstützt Du ja zumindest meine These, dass es nicht so einfach ist, zu sagen, breite Reifen rollen besser. Die Aspekte, die ich zusätzlich zu dem extrem einfachen Modell, welches z.B. von Schwalbe verbreitet wird (breit –> besser), gebracht habe, sind aber offensichtlich immer noch nicht ausreichend.
Kann es also evtl. sogar so sein, dass bei gleichem Fahrkomfort bei einem Reifentyp der schmalere schneller rollt und bei einem anderen der breitere? Könnte es sein, dass es sogar einen Unterschied macht, ob das Rad angetrieben wird oder nicht?
Fragen über Fragen… Vielleicht sollte man das Ganze dann doch nicht zu eng sehen. Der Rollwiderstand ist nicht alles im Leben.
Das Ganze hängt doch auch vom konkreten Profil ab. Ich habe es kürzlich erst wieder deutlich bemerkt, als ich nach dem Winter andere Reifen am MTB montierte:
http://frankinformiert.wordpress.com/2010/04/22/fahrrad-mountainbike-winterreifen-sommerreifen/